Praktische Philosophie

Meine Forschung in der praktischen Philosophie kreist um sechs miteinander verbundene Themen:

1. Die Ursprünge politischer Begriffe wie Eigentum, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Freiheit.
2. Der Umgang mit Wertekonflikten und mit dem politischen Moralismus, der ihre Existenz leugnet.
3. Die normative Bedeutung der Geschichte unserer Praktiken und Institutionen in Moral, Politik und Völkerrecht.
4. Verantwortung und Haftung, und wie unsere Konzeptionen der Handlungspsychologie durch moralische Forderungen verzerrt werden können.
5. Die Politik des conceptual engineering, d. h. Versuche, das Repertoire der Begriffe, nach denen wir leben, zu beurteilen und zu verbessern.
6. Der Wert von Systematizität im öffentlichen Diskurs, die Asystematik normativer Domänen und die Spannung zwischen beiden.

Eine Leitfrage meiner Arbeit lautet: Auf welche praktischen Zwänge und menschlichen Bedürfnisse antworten unsere fundamentalsten Begriffe und Ideale? Diese Frage prägt mein erstes Buch, The Practical Origins of Ideas: Genealogy as Conceptual Reverse-Engineering (OUP 2021), das die praktischen Kräfte rekonstruiert, die die Entwicklung von Ideen zu Eigentum, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit vorangetrieben haben. Es untersucht außerdem die Entstehung des Begriffs des Wissens und die Probleme epistemischer Ungerechtigkeit, die damit einhergingen. Eine zentrale These des Buches ist, dass das Mittel, Naturzustandserzählungen zu erzählen — ein Markenzeichen der politischen Philosophie der Aufklärung — auch heute legitim eingesetzt werden kann, um sozialhistorisch lokale Phänomene zu erklären, etwa die Gewaltenteilung oder den Aufstieg des Liberalismus. In Zusammenarbeit mit einer Rechtswissenschaftlerin habe ich die daraus resultierende Auffassung historischer Normativität auf kritische Geschichtsschreibungen im Völkerrecht angewandt (Theorizing the Normative Significance of Critical Histories for International Law). Außerdem habe ich zur Legitimität der Patentierung menschlicher Gene gearbeitet (The Double Nature of DNA: Reevaluating the Common Heritage Idea) sowie dazu, warum Tadel nicht funktionieren würde, wenn wir ihn rein instrumental verstünden (The Self-Effacing Functionality of Blame).

Mein zweites Buch, The Ethics of Conceptualization: Tailoring Thought and Language to Need (OUP 2025), erweitert die klassische politische Frage nach der Autorität von Individuen oder Institutionen auf die Ideen selbst, die unser Denken und Handeln steuern. Das Buch entwickelt eine bedarfsbasierte Theorie der Autorität dicker normativer Begriffe, die unsere soziale Welt strukturieren, und illustriert den Ansatz anhand zweier Fallstudien: des Begriffs der Freiwilligkeit, der unsere Zuschreibungen moralischer und rechtlicher Verantwortung trägt, sowie des politischen Werts der Freiheit und seines Konflikts mit dem Wert der Gleichheit. Das Buch argumentiert — gegen eine lange philosophische Tradition, die den Begriff des Freiwilligen metaphysisch vertiefen will —, dass der Begriff oberflächlich bleiben muss, wenn er uns gut dienen soll (siehe auch The Essential Superficiality of the Voluntary and the Moralization of Psychology). Und es argumentiert — gegen Ronald Dworkin und andere Vertreter des „politischen Moralismus“ —, dass bestimmte Begriffe in Konflikt geraten sollten, weil unsere Anliegen in Konflikt geraten. Ein harmonisches Begriffsschema, das uns für diese Konflikte blind macht, macht uns zugleich begrifflich unsensibel für die realen politischen Kosten unserer kollidierenden Anliegen (siehe auch Moralism as a Dualism in Ethics and Politics).

In einer Reihe von Artikeln, die auf Rousseau, Dworkin, Williams und Shklar zurückgreifen, wende ich diese Einsichten auf die Politik des conceptual engineering an, d. h. auf Versuche, das Repertoire von Begriffen, nach denen wir leben, zu beurteilen und zu verbessern (Conceptual Engineering and the Politics of Implementation; The Dworkin–Williams Debate: Liberty, Conceptual Integrity, and Tragic Conflict in Politics; Choosing Values? Williams contra Nietzsche).

Im vierjährigen Ambizione-Projekt des Schweizerischen Nationalfonds, das ich geleitet habe, habe ich untersucht, wie die Asystematik normativer Wahrheiten eine Herausforderung für künstliche Intelligenz darstellt (Can AI Rely on the Systematicity of Truth? The Challenge of Modelling Normative Domains) und was dies für den Einsatz von KI als praktische Beraterin bedeutet (On the Fundamental Limitations of AI Moral Advisors).

Zudem argumentiere ich, dass ein an Shklar orientierter Liberalismus der Furcht eine besonders relevante Perspektive bietet, um über die Politik der KI nachzudenken (Dropping Anchor in Rough Seas: Co-Reasoning with Personalized AI Advisors and the Liberalism of Fear). Dieser Forschungsbogen kulminiert in der SNSF Professorship (Starting Grant), die mir zugesprochen wurde und die untersucht, was auf dem Spiel steht, wenn wir über künstliche Kognition nachdenken.